Expansion. Eine
Idee beginnt in einem Punkt, dimensionslos, raumlos. Die Kraft der Idee sprengt
den Punkt, das Singulare beginnt den Raum zu definieren, ihn zu bilden, ihn
zu erobern. Kleine Unregelmäßigkeiten in der Ordnung, die dem Anfang
innewohnt, bilden die Grundsteine für die Struktur des zu schaffenden Raumes.
Eine neue Ordnung beginnt zu wirken, ihre Einflussnahme erzeugt fast unmerklich
ein neues, eigenwilliges, naturelles Bild. So wie Ideen in die Welt gesetzt
werden und in Systemen ihre Entwicklung nehmen, sie beeinflussen und abgeändert,
verwässert werden, oder wie mitunter Gesellschaften entstehen, deren Bestreben
es ist zu expandieren, oder entsprechend dem Sinnbild unseres Universums, so
zeichnet diese Komposition einen virtuellen Klangraum auf, der nicht statisch,
nicht nur architektonisch sondern dynamisch ist, er wächst, expandiert.
Die Instrumente simulieren einen Raum, der mit dem Aufführungsraum nichts
gemein hat, ihm aber begegnet, mit ihm interagiert, ihn beeinflusst, sich beeinflussen
lässt, ihn aufbricht.
Alles beginnt in einer Singularität, einem einzigen Ton, die Figuren streben
auseinander, die Frequenzen sinken durch Simulation von Bewegung und wachsenden
Distanzen ab, verschieben sich auf Grund der Darstellung von Laufzeiten, geraten
an räumliche Grenzen, die sich uns in Form von Echos zeigen und den Weg
zurück in ein Zentrum nehmen, das sich unmerklich aufgelöst hat, das
es nur am Anfang gab, das jetzt überall ist, oder in das wie beim Epizentrum
einer Druckwelle, als erstes wieder Ruhe eingekehrt ist.
Der gedachte Raum dehnt sich aus bis er aufklart und durchsichtig wird. Menschengemachte
Ordnungsprinzipien versuchen der Entropie entgegenzuwirken. Die Suche nach höherer
Harmonie, nach Mathematik, läßt kurze Bilder der Schönheit aus
pythagoräisch sortiertem Tonmaterial aufleuchten, bevor alles sich in Weite
verflüchtigt, erkaltet und nur noch ein 12töniges Abbild und leises
Rauschen von der geballten Kraft der einstigen Idee übrigbleibt.
Henry Mex, Dezember 2006
Diese Komposition
ist in ihrer ersten vorliegenden Version für ein Streicherensemble in von
einander entfernten Aufstellungspositionen instrumentiert. Es ist jedoch auch
eine Adaption für andere Instrumentengruppen denkbar, beispielsweise Holzbläser
(fl, ob, kl, bcl, fg oder Saxophone in vier bis sechs Stimmlagen). Dies könnte
bei sehr großen Räumen (oder Außenräumen) bezüglich
der Durchsetzungskraft der Töne sinnvoll sein. Ein Dirigat ist ratsam,
unter Benutzung von Funkuhren aber nicht zwingend notwendig. Sollte kein Dirigent
zur Verfügung stehen, kann der Kontrabassist den Anfang dirigieren und
dann auf seinen Platz gehen.
Die Aufstellungsskizze, stellt eine Idealvariante mit den akustisch-geometrischen
Wirkungslinien dar. Eine Positionierung des Publikums im Innenraum des Kreises
wäre wünschenswert. In klassischen Konzertsälen ist eine Aufstellung
der Musiker auf der bzw. um die Zuhörertribüne denkbar.
Partiturauszüge:
Expansion S1, S. 3-5, S. 10, S. 17, S. 21, S. 46