Henry Mex

Expansion

for strings in space


Raumkomposition für 9 Streicher
aus dem Zyklus „Gravitation“

Expansion. Eine Idee beginnt in einem Punkt, dimensionslos, raumlos. Die Kraft der Idee sprengt den Punkt, das Singulare beginnt den Raum zu definieren, ihn zu bilden, ihn zu erobern. Kleine Unregelmäßigkeiten in der Ordnung, die dem Anfang innewohnt, bilden die Grundsteine für die Struktur des zu schaffenden Raumes. Eine neue Ordnung beginnt zu wirken, ihre Einflussnahme erzeugt fast unmerklich ein neues, eigenwilliges, naturelles Bild. So wie Ideen in die Welt gesetzt werden und in Systemen ihre Entwicklung nehmen, sie beeinflussen und abgeändert, verwässert werden, oder wie mitunter Gesellschaften entstehen, deren Bestreben es ist zu expandieren, oder entsprechend dem Sinnbild unseres Universums, so zeichnet diese Komposition einen virtuellen Klangraum auf, der nicht statisch, nicht nur architektonisch sondern dynamisch ist, er wächst, expandiert. Die Instrumente simulieren einen Raum, der mit dem Aufführungsraum nichts gemein hat, ihm aber begegnet, mit ihm interagiert, ihn beeinflusst, sich beeinflussen lässt, ihn aufbricht.
Alles beginnt in einer Singularität, einem einzigen Ton, die Figuren streben auseinander, die Frequenzen sinken durch Simulation von Bewegung und wachsenden Distanzen ab, verschieben sich auf Grund der Darstellung von Laufzeiten, geraten an räumliche Grenzen, die sich uns in Form von Echos zeigen und den Weg zurück in ein Zentrum nehmen, das sich unmerklich aufgelöst hat, das es nur am Anfang gab, das jetzt überall ist, oder in das wie beim Epizentrum einer Druckwelle, als erstes wieder Ruhe eingekehrt ist.
Der gedachte Raum dehnt sich aus bis er aufklart und durchsichtig wird. Menschengemachte Ordnungsprinzipien versuchen der Entropie entgegenzuwirken. Die Suche nach höherer Harmonie, nach Mathematik, läßt kurze Bilder der Schönheit aus pythagoräisch sortiertem Tonmaterial aufleuchten, bevor alles sich in Weite verflüchtigt, erkaltet und nur noch ein 12töniges Abbild und leises Rauschen von der geballten Kraft der einstigen Idee übrigbleibt.
Henry Mex, Dezember 2006


Diese Komposition ist in ihrer ersten vorliegenden Version für ein Streicherensemble in von einander entfernten Aufstellungspositionen instrumentiert. Es ist jedoch auch eine Adaption für andere Instrumentengruppen denkbar, beispielsweise Holzbläser (fl, ob, kl, bcl, fg oder Saxophone in vier bis sechs Stimmlagen). Dies könnte bei sehr großen Räumen (oder Außenräumen) bezüglich der Durchsetzungskraft der Töne sinnvoll sein. Ein Dirigat ist ratsam, unter Benutzung von Funkuhren aber nicht zwingend notwendig. Sollte kein Dirigent zur Verfügung stehen, kann der Kontrabassist den Anfang dirigieren und dann auf seinen Platz gehen.
Die Aufstellungsskizze, stellt eine Idealvariante mit den akustisch-geometrischen Wirkungslinien dar. Eine Positionierung des Publikums im Innenraum des Kreises wäre wünschenswert. In klassischen Konzertsälen ist eine Aufstellung der Musiker auf der bzw. um die Zuhörertribüne denkbar.

Partiturauszüge:

Expansion S1, S. 3-5, S. 10, S. 17, S. 21, S. 46


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